Mitgliederorientierung ist eine Haltung
Die Erwartungen von Menschen an die Kirche sind heute anders als früher. Wer ein Kind taufen lassen möchte, begibt sich nicht in das Pfarramt, um die Taufe anzumelden. Sondern weil man es dem Kind auf dem Weg in eine gelingende Zukunft an nichts fehlen lassen möchte, ruft man auch in der Kirchengemeinde an, um einen Wunschtermin für die Feier der Taufe zu verabreden. Erwartet wird eine positive Reaktion auf diesen Wunsch, nicht die Verwaltung von Taufterminen. Man beansprucht als Kirchensteuerzahler individuellen Service statt hoheitlicher Amtsausübung. Nicht die Schreibstube wird gewünscht, sondern das Servicebüro.
Daran ist nichts, worüber man sich in einer Kirchengemeinde ärgern
müsste. Das Kirchenbüro als Pfarramt ist ein Produkt früherer Jahrhunderte.
Schon seit 1918 dient das Gemeindebüro nicht mehr als Standesamt, heute werden
sogar mit Kirchensiegel beglaubigte Kopien häufig nicht mehr anerkannt. Man
kann also den Staub der alten Amtsstube gründlich abschütteln.
Mitgliederorientierung ist darum vor allem eine Haltung, eine
Einstellung, der bestimmte Handlungsweisen entsprechen. Mit dieser Haltung sind
Kirchengemeinden in der Lage, auf veränderte Mitgliedererwartungen angemessen
zu reagieren. Auch die in den Gemeinden tätigen Mitarbeitenden können dem
veränderten Mitgliederverhalten Rechnung tragen. Sie stehen Menschen
aufgeschlossen gegenüber und begegnen ihnen grundsätzlich freundlich. Mit
Fragen oder besonderen Wünschen rechnen sie. Und sie können auch Nichtwissen
akzeptieren.
Mitgliederorientierung ist keine Kirchenreform
Mitgliederorientierung ist keine Anleitung zur Kirchenreform.
Nichts muss umstrukturiert werden. Dieses Handbuch enthält keine Visionen von
Gemeindenetzwerken oder Fusionen.
Aber es hat dennoch eine große Sehnsucht nach Veränderung.
Aus Ämtern werden Büros. Mitglieder, deren Anfragen bislang verwaltet wurden,
werden zu interessanten Persönlichkeiten mit eigenen Lebensentwürfen. Aufgaben
der täglichen Büropraxis sind nicht länger lähmende Verwaltungsarbeiten,
sondern Mittel zum Zweck glückender Begegnungen, die allen Beteiligten etwas
bedeuten.